Schwarmintelligenz & Schwarmverhalten: Difference between revisions

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=== Was ist ein Schwarm? ===
=== Was ist ein Schwarm? ===
[[File:Large fish school.png|thumb|<nowiki>Fischschwarm | OpenStax College, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons</nowiki>]]
Ein Schwarm ist eine Gruppe homogener Einzelwesen/Entitäten (in der Fachliteratur meist als „Agents“ bezeichnet), die ohne zentrale Steuerung oder eine Hierarchie lokal koordiniert und kooperativ miteinander interagieren und dabei komplexe Globale Verhaltensmuster zeigen. Natürliche Beispiele für Schwärme sind Ameisenkolonien, Fischschwärme, Vogelschwärme und Herden von Landtieren.
Ein Schwarm ist eine Gruppe homogener Einzelwesen/Entitäten (in der Fachliteratur meist als „Agents“ bezeichnet), die ohne zentrale Steuerung oder eine Hierarchie lokal koordiniert und kooperativ miteinander interagieren und dabei komplexe Globale Verhaltensmuster zeigen. Natürliche Beispiele für Schwärme sind Ameisenkolonien, Fischschwärme, Vogelschwärme und Herden von Landtieren.


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Aber auch der Nestbau oder die Koordination der Nahrungssuche bei sozialen Insekten wie Bienen oder Termiten wird als Schwarmverhalten bezeichnet.
Aber auch der Nestbau oder die Koordination der Nahrungssuche bei sozialen Insekten wie Bienen oder Termiten wird als Schwarmverhalten bezeichnet.
 
[[File:AntBridge Crossing 05.jpg|thumb|<nowiki>Ameisenbrücke | Igor Chuxlancev, CC BY 4.0, via Wikimedia Commons</nowiki>]]
Bei Ameisen lassen sich besonders viele interessante Verhaltensweisen beobachten, wie z.B. das Bilden von temporären lebenden Brücken aus Ameisen, das gemeinsame Bewegen von schweren Gegenständen oder das Bilden von effizienten Futterstraßen.
Bei Ameisen lassen sich besonders viele interessante Verhaltensweisen beobachten, wie z.B. das Bilden von temporären lebenden Brücken aus Ameisen, das gemeinsame Bewegen von schweren Gegenständen oder das Bilden von effizienten Futterstraßen.


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== „Flocking“ – Schwarmbildung bei Vögeln, Fischen, Herden und Insekten ==
== „Flocking“ – Schwarmbildung bei Vögeln, Fischen, Herden und Insekten ==
[[File:Starling Murmuration - 'The face' (49014625696).jpg|thumb|<nowiki>Ein Schwarm Stare | caroline legg, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons</nowiki>]]
Das Schwarmverhalten von Vögeln, Fischen, Herden und Insekten wird im Englischen als „flocking” bezeichnet und ist wahrscheinlich das erste, woran man denkt, wenn man an einen Schwarm denkt. Solche Schwärme zeigen eine Reihe gemeinsamer Verhaltensweisen: Die Tiere bleiben dicht beieinander, kollidieren aber nicht. Sie ändern ihre Richtung fließend, als wären sie ein einziger Organismus, können aber auch enge Hindernisse passieren.
Das Schwarmverhalten von Vögeln, Fischen, Herden und Insekten wird im Englischen als „flocking” bezeichnet und ist wahrscheinlich das erste, woran man denkt, wenn man an einen Schwarm denkt. Solche Schwärme zeigen eine Reihe gemeinsamer Verhaltensweisen: Die Tiere bleiben dicht beieinander, kollidieren aber nicht. Sie ändern ihre Richtung fließend, als wären sie ein einziger Organismus, können aber auch enge Hindernisse passieren.


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Die Erkenntnisse aus diesem Bereich der Schwarmintelligenz haben vielfältige Anwendungen. So werden sie, wie bereits erwähnt, von der Filmindustrie für Computeranimationen (es gibt z.B. auch Boids in Blender) oder zur Steuerung von Drohnen und Robotern verwendet.
Die Erkenntnisse aus diesem Bereich der Schwarmintelligenz haben vielfältige Anwendungen. So werden sie, wie bereits erwähnt, von der Filmindustrie für Computeranimationen (es gibt z.B. auch Boids in Blender) oder zur Steuerung von Drohnen und Robotern verwendet.


Eine abstraktere Variante in der Informatik ist der Particle Swarm Optimization Algorithmus, bei dem ein Schwarm von Entitäten in einem „search space“ nach den besten Lösungen für ein Problem sucht. Er wird unter anderem beim maschinellen Lernen zur Optimierung neuronaler Netze eingesetzt.
Eine abgewandelte Variante in der Informatik ist der Particle Swarm Optimization Algorithmus, bei dem ein Schwarm von Entitäten in einem „search space“ nach den besten Lösungen für ein Problem sucht. Er wird unter anderem beim maschinellen Lernen zur Optimierung neuronaler Netze eingesetzt.


== Wegfindung der Ameisen ==
== Wegfindung der Ameisen ==
Die Ameisen finden kollektiv den besten Weg zu einer Futterstelle, indem sie in ihrer Umgebung Pheromone (chemische Signale) hinterlassen und indem sie zum Teil den Pheromonen folgen, die von anderen Ameisen hinterlassen wurden.
Die Ameisen finden kollektiv den besten Weg zu einer Futterstelle, indem sie in ihrer Umgebung Pheromone (chemische Signale) hinterlassen und indem sie zum Teil den Pheromonen folgen, die von anderen Ameisen hinterlassen wurden.
 
[[File:00 2444 Australien Litchfield-Nationalpark.jpg|thumb|208x208px|<nowiki>Termitenbau | W. Bulach, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons</nowiki>]]
Diese indirekte Kommunikation wird als Stigmerie bezeichnet. Durch die Stigmerie wird der Boden für die Ameise also zu einer Art Notizblatt, zu einer Struktur, die beschrieben und gelesen wird. Dies ist auch bei anderen Schwarmverhaltensweisen der Fall, z.B. beim Nestbau der Termiten, wo die bereits vorhandene Neststruktur selbst die  Termitenarbeiter so stimuliert, dass diese korrekt an ihr weiterbauen
Diese indirekte Kommunikation wird als Stigmerie bezeichnet. Durch die Stigmerie wird der Boden für die Ameise also zu einer Art Notizblatt, zu einer Struktur, die beschrieben und gelesen wird. Dies ist auch bei anderen Schwarmverhaltensweisen der Fall, z.B. beim Nestbau der Termiten, wo die bereits vorhandene Neststruktur selbst die  Termitenarbeiter so stimuliert, dass diese korrekt an ihr weiterbauen
 
[[File:Aco branches.svg.png|thumb|<nowiki>Wegfindung der Ameisen dank Pheromonen | Johann Dréo (User:Nojhan), CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons</nowiki>]]
Die Nahrungssuche der Ameisen beginnt damit, dass die Ameisen vom Nest aus in zufällige Richtungen laufen. Wenn sie Futter finden, bringen sie es direkt zum Nest zurück. Beim Laufen hinterlassen die Ameisen flüchtige Pheromone. Wenn die Ameisen das Futter gefunden haben und auf dem gleichen Weg zum Nest zurückgekehrt sind, ist der Pheromonpfad so stark, dass neue Ameisen nun diesen Weg bevorzugen, um ebenfalls zur Futterquelle zu gelangen. Dabei hinterlassen sie wieder Pheromone und halten so die Pheromonmarkierung stark und frisch. So entsteht eine positive Rückkopplung. Da die Wege der Ameisen trotzdem bis zu einem gewissen Grad zufällig bleiben, wird der Weg weiter optimiert. Bei einigen Ameisenarten bildet sich sogar eine koordinierte, dichte, 3-spurige „Futterautobahn“. Auch hier kommen die Prinzipien der Schwarmbildung zum Tragen, um Kollisionen zu vermeiden.
Die Nahrungssuche der Ameisen beginnt damit, dass die Ameisen vom Nest aus in zufällige Richtungen laufen. Wenn sie Futter finden, bringen sie es direkt zum Nest zurück. Beim Laufen hinterlassen die Ameisen flüchtige Pheromone. Wenn die Ameisen das Futter gefunden haben und auf dem gleichen Weg zum Nest zurückgekehrt sind, ist der Pheromonpfad so stark, dass neue Ameisen nun diesen Weg bevorzugen, um ebenfalls zur Futterquelle zu gelangen. Dabei hinterlassen sie wieder Pheromone und halten so die Pheromonmarkierung stark und frisch. So entsteht eine positive Rückkopplung. Da die Wege der Ameisen trotzdem bis zu einem gewissen Grad zufällig bleiben, wird der Weg weiter optimiert. Bei einigen Ameisenarten bildet sich sogar eine koordinierte, dichte, 3-spurige „Futterautobahn“. Auch hier kommen die Prinzipien der Schwarmbildung zum Tragen, um Kollisionen zu vermeiden.


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Bei diesem Problem geht es darum, den kürzesten Weg zwischen mehreren Punkten, z.B. Städten, zu finden, ohne einen Punkt zweimal zu besuchen. Ein klassischer einfacher Algorithmus würde alle möglichen Wege berechnen und vergleichen. Das Problem dabei ist, dass es bei einer großen Anzahl von Punkten extrem viele Möglichkeiten gibt, die für einen Computer nicht mehr handhabbar sind. Zum Beispiel gäbe es bei 20 Städten 6.082.250.204.416.000 mögliche Kombinationen, in welcher Reihenfolge man diese bereisen könnte.
Bei diesem Problem geht es darum, den kürzesten Weg zwischen mehreren Punkten, z.B. Städten, zu finden, ohne einen Punkt zweimal zu besuchen. Ein klassischer einfacher Algorithmus würde alle möglichen Wege berechnen und vergleichen. Das Problem dabei ist, dass es bei einer großen Anzahl von Punkten extrem viele Möglichkeiten gibt, die für einen Computer nicht mehr handhabbar sind. Zum Beispiel gäbe es bei 20 Städten 6.082.250.204.416.000 mögliche Kombinationen, in welcher Reihenfolge man diese bereisen könnte.
 
[[File:Ant Colony Algorihm applied to the Travelling Salesman Problem.gif|thumb|<nowiki>Ant-Colony-Optimization | Rodrigo Castro Freibott, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons</nowiki>]]
Beim Algorithmus Ant Colony Optimization werden künstliche Ameisen auf zufällig ausgewählte Routen geschickt. Je nachdem, wie kurz ihr gesamter Weg vom ersten bis zum letzten Punkt ist, werden die Teilstrecken zwischen den Punkten mit mehr oder weniger künstlichen Pheromonen markiert. Die nachkommenden Ameisen wählen dann ihren Weg teils zufällig, teils aufgrund der gelegten Pheromonspuren und finden vielleicht einen noch besseren Weg, den sie dann noch stärker mit Pheromonen markieren. So findet der Computer selbst bei 100 Punkten in weniger als einer Sekunde einen Weg, der vielleicht nicht der kürzeste ist, aber auf jeden Fall sehr, sehr kurz im Vergleich zu den meisten anderen Wegen.
Beim Algorithmus Ant Colony Optimization werden künstliche Ameisen auf zufällig ausgewählte Routen geschickt. Je nachdem, wie kurz ihr gesamter Weg vom ersten bis zum letzten Punkt ist, werden die Teilstrecken zwischen den Punkten mit mehr oder weniger künstlichen Pheromonen markiert. Die nachkommenden Ameisen wählen dann ihren Weg teils zufällig, teils aufgrund der gelegten Pheromonspuren und finden vielleicht einen noch besseren Weg, den sie dann noch stärker mit Pheromonen markieren. So findet der Computer selbst bei 100 Punkten in weniger als einer Sekunde einen Weg, der vielleicht nicht der kürzeste ist, aber auf jeden Fall sehr, sehr kurz im Vergleich zu den meisten anderen Wegen.


Der Algorithmus wird daher unter Anderem vielseitig für die Optimisierung von Telekommunikationswegen, Netzwerken und Logistik eingesetzt.
Der Algorithmus wird daher unter Anderem vielseitig für die Optimisierung von Telekommunikationswegen, Netzwerken und Logistik eingesetzt.
Bureaucrats, Interface administrators, smwadministrator, smwcurator, smweditor, Administrators
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