Biodiversität

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Biodiversität

Was ist Wildnis?

Wir verstehen Wildnis im Generellen oft als ein Ökosystem, welches frei von menschlichem Einfluss ist. Dabei hinterfragen wir dieses intuitive Verständnis oft nicht.

Die Biodiversitätsdichte ist nach Expertenmeinungen in offenen Landschaften höher als im dichten Wald. (Dabei kann man Landschaften nicht klar in offene und geschlossene trennen, jedoch hilft es beim Aufzeigen des Denkfehlers)

Dies liegt vor allem daran das die meisten Arten sich auf eine savannenartige Landschaft angepasst haben. Denn die Ökosysteme in Europa weisen eine Leerstelle auf: ihnen fehlen die großen Pflanzenfresser. Diese nehmen eine Schlüsselrolle in Ökosystemen ein und verhindern, dass sie mit Wald zuwachsen.

Darüberhinaus sind sie essentiell für viele ökologische Kreisläufe. So wird der von ihnen ausgeschiedene Kohlenstoff von Insekten in den Boden eingebracht, welche in ihm ihre Eier ablegen. Dadurch werden die CO2-Emissionen gesenkt. Gräser sind ebenso an das regelmäßige Abfressen gewöhnt und reagieren darauf in dem sie verstärkt Wurzelmasse aushbilden. Die alte Wurzelmasse stirbt ab und sorgt ebenfalls für eine gute EInlagerung von Kohlenstoff.

Das wir in Europa und an den meisten anderen Orten dieser Welt diese Leerstelle in den Ökosystemen vorfinden hat neben den klimatischen Veränderungen vor Allem mit der Bejagung der großen Pflanzenfresser durch den Menschen zu tun. Als er das Jagen auf Distanz mit zB Speeren erlernte und sich schnell über alle Kontinente verbreitete hat er die meisten großen Pflanzenfresser ausgerottet.

Buch: Wildnis von Jan Haft

Insekten

Wenn von Biodiversität gesprochen wird dabei oft nicht klar wie komplex und eng vernetzt die Tier und Pflanzenwelt ist. In dem Buch schildert der Insektologe Dave Goulson wie vielfältig die Lebensweisen der Insekten sind. Es kommt zur Sprache wie wichtig die Vernetzung der Naturschutzgebiete ist um einen Austausch der Populationen aus unterschiedlichen Gebieten zu ermöglichen und vieles mehr.

Buch: Wenn der Nagekäfer zweimal klopft: Das geheime Leben der Insekten - Dave Goulson

Die Geschichte des Begriffs "Biodiversität"

  • Das Konzept von Biodiversität wird bereits in der Bibel thematisiert (S. 18)
  • Antike und mittelalterliche Philosophie beschreiben Biodiversität in Form der scala naturae (S. 18)
  • Ansätze biologische Vielfalt wissenschaftlich zu erfassen (S. 18):
    • Aristoteles differenzierten Beschreibungen der damals bekannten Arten
    • Einführung der binären Nomenklatur durch Carl von Linné
    • Evolutionstheoretische Überlegungen von Charles Darwin
    • Bio-geografische Forschungen von Alexander von Humboldt
  • Das Wort “Biodiversität” ist ein modernes:
    • 1981: die Regierung der USA veranstaltete eine Konferenz zum Thema »Biological Diversity« (S. 18)
    • 1986: »National Forum on BioDiversity« wurde gegründet und etablierte den Begriff (S. 18)
    • 1988: Edward O. Wilson verwendet den Begriff, wie er heute geschrieben wird (S. 18)
    • 1992: seit Inkrafttreten der »Konvention über die Biologische Vielfalt« (kurz: CBD) wird der Begriff zum Schlagwort globaler Umweltpolitik (S. 13)

Quelle: https://bonndoc.ulb.uni-bonn.de/xmlui/handle/20.500.11811/8916

Biodiversität als politischer Begriff

  • Frühe Nutzung des Begriffs zeigt, dass er bereits wertende Elemente enthält und damit als umweltpolitischer Begriff tauglich werden soll.
  • »Die Erfindung des neuen Schlagworts ›Biodiversität‹ ist das Ergebnis einer bewussten Politisierung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse.«
  • Die Politisierung des Begriffs wurde nicht von allen Biologen befürwortet.

Quelle: https://bonndoc.ulb.uni-bonn.de/xmlui/handle/20.500.11811/8916 (S. 19)

Mehr zu Biodiversität im politischen Kontext: https://journals.ub.ovgu.de/index.php/FEMM-WPS/article/view/67

Messung von Biodiversität

  • Der Vergleich der Biodiversität zwischen zwei Gebieten oder Lebensräumen kann aufgrund verschiedener Faktoren schwierig sein:
    • der betrachteten Organismengruppe
    • des räumlichen Maßstabs
    • der Bewertungskriterien
  • Unterschiedliche Parameter werden zur Bewertung der Biodiversität herangezogen (oft berechnet mit mathematischen Indizes):
    • Artenreichtum
    • Seltenheit
    • genetische Einzigartigkeit
    • phylogenetische Vielfalt
  • Die Datenverfügbarkeit und Interpretierbarkeit führen oft zu einem Fokus auf einfache Metriken wie Artenzahlen oder die Häufigkeit seltener oder gefährdeter Arten.
  • Indikatoren und Indikatorgruppen werden verwendet um die Biodiversität zwei Gebieten zu vergleichen
    • Vögel, Wirbeltiere, Schmetterlinge und Pflanzen werden aufgrund der Datenverfügbarkeit und des menschlichen Interesses häufig verwendet.
    • Pflanzen sind insbesondere in terrestrischen Lebensräumen aufgrund ihrer Rolle als Primärproduzenten und strukturelle Elemente von großer Bedeutung
  • Es gibt keine einheitliche Art Biodiversität zu messen.

Quelle: https://bonndoc.ulb.uni-bonn.de/xmlui/handle/20.500.11811/8916 (S. 35-36)

Wert von Biodiversität

Ökosystemleistungen (S. 47):
  • Constanza und Kollegen quantifizierten die Dienstleistungen der globalen Ökosysteme im Jahr 1997 auf 16–54 Billionen US-Dollar pro Jahr.
  • Der durchschnittliche Wert von etwa 33 Billionen US-Dollar übertrifft das globale Bruttosozialprodukt um das Doppelte.
  • Diese Dienstleistungen umfassen Klimaregulierung (684 Milliarden US-Dollar), Wasserversorgung (1,7 Billionen US-Dollar), Erosionsschutz (576 Milliarden US-Dollar) und Bestäubung von Nutzpflanzen (117 Milliarden US-Dollar).
Genetische Ressourcen in der Landwirtschaft (S. 50):
  • “Die Ernährung der über 6 Milliarden Menschen hängt zu mehr als 50% von nur vier Pflanzen ab – Weizen, Reis, Kartoffeln und Mais.”
  • 14 Arten von Vögeln und Säugetieren machen etwa 90% der weltweiten für die menschliche Ernährung gezüchteten Tiere aus.
  • Innerhalb ökonomisch wichtiger Nutzpflanzen gibt es einen Verlust an genetischer Vielfalt, wie z.B. bei Reis und Kaffee.
Genetische Ressourcen in der Pharmazie (S. 51):
  • “Inhaltstoffe aus Pflanzen, Mikroorganismen oder Tieren spielen eine entscheidende Rolle in der pharmazeutischen Industrie.”
  • Über 57% der wichtigsten verschreibungspflichtigen Medikamente in den USA basieren auf Naturprodukten oder von diesen abgeleiteten Inhaltsstoffen.
  • Bei neu entwickelten medizinisch wirksamen Inhaltsstoffen spielen Naturprodukte weiterhin eine wichtige Rolle.
Biologische Vielfalt und Kulturelle Vielfalt (S. 52):
  • Es besteht eine enge Korrelation zwischen Pflanzenvielfalt und Anzahl unterschiedlicher Sprachen im Raum.
  • Analysen zeigen, dass in vielen tropischen Lebensräumen mit niedriger Bevölkerungsdichte eine hohe Sprachenvielfalt besteht.
  • Höhere Bevölkerungsdichte führt oft zu mehr Kontakten und einer Homogenisierung von Kultur und Sprache.
  • In asaisonalen, produktiven tropischen Lebensräumen könnte die Natur bereits mit allem Lebensnotwendigen versorgt sein, was Wanderung und Handel reduziert.
  • Seit Beginn der Kolonisierung vor etwa 500 Jahren sind zahlreiche Sprachen ausgestorben, vor allem durch Homogenisierung.
Vielfalt als Inspiration (S. 53):
  • "Im Rahmen des noch recht jungen Forschungszweiges der Bionik (Biomimicry im englischsprachigem Raum) werden technische Produkte nach Vorbildern der Natur und ihren Funktionsprinzipien gestaltet."
  • z.B. die Konstruktion optimierter tragender Strukturen in Architektur
  • z.B. Automobilbau unter Nutzung von Erkenntnissen der Biomechanik von Bäumen
  • z.B. selbstreinigende technische Oberflächen auf Basis des bei Pflanzen entdeckten Lotus-Effekts
  • z.B. Winglets – nach oben gebogene Enden bei Tragflächen von Flugzeugen – sind dem lebenden Pelikan abgeschaut


Quelle: https://bonndoc.ulb.uni-bonn.de/xmlui/handle/20.500.11811/8916

Literatur Empfehlung

Die Publikation, die auf dieser Seite mehrfach zitiert wird, ist ein sehr spannender Einblick in das Thema der Biodiversität. Es wird auf biologische, ökonomische, rechtliche und philosophische Aspekte ausführlich eingegangen. Es ist zwar aus 2008, also nicht hoch aktuell, aber trotzdem sehr interessant. Hier nochmal der direkte Link zum PDF: https://bonndoc.ulb.uni-bonn.de/xmlui/bitstream/handle/20.500.11811/8916/Ethik_Biowissenschaften_5.pdf?sequence=1&isAllowed=y