Urbane Evolution von Pflanzen & Tieren: Difference between revisions

No edit summary
No edit summary
 
(6 intermediate revisions by 2 users not shown)
Line 1: Line 1:
[[File:1-s2.0-S2351989422002451-gr2 lrg.jpg|thumb|"Number of studies relating changes in plant species and communities in response to urbanization within their locations on biomes according to Dinerstein et al. (2017) (updated version of the Terrestrial Ecoregions of the World from Olson et al., 2001)."[https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2351989422002451]]]
'''(Sina 🌱)'''
'''Urbane Evolution''' beschreibt die Anpassung und Veränderung von Pflanzen und Tieren im städtischen Raum.
'''Urbane Evolution''' beschreibt die Anpassung und Veränderung von Pflanzen und Tieren im städtischen Raum.


Sie ist ein dynamischer Prozess, der durch zunehmende genetische Vielfalt und eingeschränkten Genfluss in Pflanzen- und Tierpopulationen innerhalb von Städten gekennzeichnet ist. Die genetischen Veränderungen, die durch verschiedene städtische Faktoren (allgemein durch '''''Urbanisierung''''') ausgelöst werden und die Stadt zu einem "extremen Lebensraum" machen, führen zu überraschenden Anpassungen an die städtische Umwelt. Dieses Phänomen vollzieht sich im Vergleich zu naturnahen Umgebungen in einem beschleunigten Tempo, wobei sich die Arten in städtischen Ökosystemen weltweit immer ähnlicher werden. [https://www.spektrum.de/news/urbanitaet-bei-arten-in-der-der-stadt-verlaeuft-die-evolution-schneller/1686856]
Sie ist ein dynamischer Prozess, der durch zunehmende genetische Vielfalt und eingeschränkten Genfluss in Pflanzen- und Tierpopulationen innerhalb von Städten gekennzeichnet ist. Die genetischen Veränderungen, die durch verschiedene städtische Faktoren (allgemein durch '''''Urbanisierung''''') ausgelöst werden und die Stadt zu einem "extremen Lebensraum" machen, führen zu überraschenden Anpassungen an die städtische Umwelt. Dieses Phänomen vollzieht sich im Vergleich zu naturnahen Umgebungen in einem beschleunigten Tempo, wobei sich die Arten in städtischen Ökosystemen weltweit immer ähnlicher werden. Dabei findet die Vermischung des Genmaterials stark über die menschliche Infrastruktur statt.[https://www.spektrum.de/news/urbanitaet-bei-arten-in-der-der-stadt-verlaeuft-die-evolution-schneller/1686856]


=== Urbane Einflussfaktoren und Folgen ===
=== Urbane Einflussfaktoren und Folgen ===
Line 42: Line 45:
** größere Häufigkeit von Arten mit geringerem Erhaltungswert   
** größere Häufigkeit von Arten mit geringerem Erhaltungswert   
** Abnahme des Artenreichtums   
** Abnahme des Artenreichtums   
** die menschliche Vorliebe für auffällige Blumen kann für Bestäuber in städtischen Gebieten von Vorteil sein,  wodurch von Tieren bestäubte Pflanzen begünstigt werden<br />
** die menschliche Vorliebe für auffällige Blumen kann für Bestäuber in städtischen Gebieten von Vorteil sein,  wodurch von Tieren bestäubte Pflanzen begünstigt werden


=== Beispiele ===
=== Beispiele ===
Line 55: Line 58:


'''''Weißklee''''' produziert Blausäure sowohl als Abwehrmechanismus gegen Pflanzenfresser als auch zur Erhöhung seiner Toleranz gegenüber Wasserstress. GLUE ([https://www.globalurbanevolution.com/ Global Urban Evolution Project]) fand heraus, dass Klee, der in Städten wächst, aufgrund wiederholter Anpassungen an städtische Umgebungen in der Regel weniger davon produziert als Klee in benachbarten ländlichen Gebieten. [https://www.utoronto.ca/news/urbanization-driving-evolution-plants-around-world-u-t-study-finds]
'''''Weißklee''''' produziert Blausäure sowohl als Abwehrmechanismus gegen Pflanzenfresser als auch zur Erhöhung seiner Toleranz gegenüber Wasserstress. GLUE ([https://www.globalurbanevolution.com/ Global Urban Evolution Project]) fand heraus, dass Klee, der in Städten wächst, aufgrund wiederholter Anpassungen an städtische Umgebungen in der Regel weniger davon produziert als Klee in benachbarten ländlichen Gebieten. [https://www.utoronto.ca/news/urbanization-driving-evolution-plants-around-world-u-t-study-finds]
'''''Pfaffenhütchen-Gespinstmotten.''''' Die ursprünglich vom Land stammenden Falter fliegen normalerweise zur Sonne hin in die Helligkeit. Die Exemplare aus der Stadt ignorieren jedoch die städtischen Lampen und halten sich an anderen Stellen des urbanen Raums auf. Nach Schlussfolgerungen hatten die städtischen Tiere eine gewisse Resistenz gegenüber künstlichem Licht erworben. [https://www.spektrum.de/news/urbanitaet-bei-arten-in-der-der-stadt-verlaeuft-die-evolution-schneller/1686856]
'''Culex pipiens molestus (Stechmücke):''' Im Londoner U-Bahnsystem hat sich eine neue Stechmückenart herausgebildet. Sogar die Mücken unterschiedlicher Linien entwickeln sich unabhängig voneinander. Sie halten keinen Winterschlaf und ernähren sich von Menschen- anstatt von Taubenblut.
'''Halsbandsittiche:''' exotische (Indien und Afrika) Käftigvögel, die aus ihren Käfigen entkommen sind und mit dem Kälteren Klima gut zurecht kommen, weil sie teilweise in den niedrigen Regionen des Himalayas vorkommen
'''»mummichogs« –  kleine Brackwasserfische der Spezies ''Fundulus heteroclitus''''': Andrew Whitehead von der University of California in Davis und seine Kollegen haben feststellt, dass einige Populationen der ''Fundulus heteroclitus'', die  vor der US-Ostküste leben – eine phänomenale Toleranz gegenüber  toxischen Chlorverbindungen namens polychlorierte Biphenyle (PCB)  ausgebildet haben. Die Tiere vertragen PCB-Konzentrationen, die 8000-mal  höher sind als jene, die für Individuen dieser Art normalerweise  tödlich wirken.
'''Schnirkelschnecke:''' Normalerweise sind die Häuser der Schnirkelschnecken rötlich bis dunkelbraun. Die Häuser der Schnirkelschnecken in meinem Garten sind fahlgelb mit ein paar dunklen Streifen darauf. Noch vor zwanzig Jahren war das sehr  ungewöhnlich. Er vermutet, dass die Schnirkelschnecke in der Stadt eine hellere Behausung trägt als in ländlichen Regionen, weil es in Städten heißer  ist.


=== '''Erhaltung und künftige Auswirkungen''' ===
=== '''Erhaltung und künftige Auswirkungen''' ===
Line 62: Line 76:
________________________________________________________________________________________
________________________________________________________________________________________


[1] https://www.spektrum.de/news/urbanitaet-bei-arten-in-der-der-stadt-verlaeuft-die-evolution-schneller/1686856
[1] + [3] https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2351989422002451


[2] https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2351989422002451
[2] https://www.spektrum.de/news/urbanitaet-bei-arten-in-der-der-stadt-verlaeuft-die-evolution-schneller/1686856


[3] https://www.nature.com/articles/hdy195536
[4] https://www.nature.com/articles/hdy195536


{4] https://knowablemagazine.org/content/article/living-world/2022/urban-evolution-species-adapt-survive-cities
[5] https://knowablemagazine.org/content/article/living-world/2022/urban-evolution-species-adapt-survive-cities


[5] https://www.spektrum.de/news/urbanitaet-bei-arten-in-der-der-stadt-verlaeuft-die-evolution-schneller/1686856
[6] https://www.spektrum.de/news/urbanitaet-bei-arten-in-der-der-stadt-verlaeuft-die-evolution-schneller/1686856


[6] https://www.utoronto.ca/news/urbanization-driving-evolution-plants-around-world-u-t-study-finds
[7] https://www.utoronto.ca/news/urbanization-driving-evolution-plants-around-world-u-t-study-finds


[7] https://www.spektrum.de/news/urbanitaet-bei-arten-in-der-der-stadt-verlaeuft-die-evolution-schneller/1686856
[8] + [9] https://www.spektrum.de/news/urbanitaet-bei-arten-in-der-der-stadt-verlaeuft-die-evolution-schneller/1686856


[[Category:Flora]]
[[Category:Research]]
[[Category:Research]]

Latest revision as of 14:36, 21 February 2024

"Number of studies relating changes in plant species and communities in response to urbanization within their locations on biomes according to Dinerstein et al. (2017) (updated version of the Terrestrial Ecoregions of the World from Olson et al., 2001)."[1]

(Sina 🌱)

Urbane Evolution beschreibt die Anpassung und Veränderung von Pflanzen und Tieren im städtischen Raum.

Sie ist ein dynamischer Prozess, der durch zunehmende genetische Vielfalt und eingeschränkten Genfluss in Pflanzen- und Tierpopulationen innerhalb von Städten gekennzeichnet ist. Die genetischen Veränderungen, die durch verschiedene städtische Faktoren (allgemein durch Urbanisierung) ausgelöst werden und die Stadt zu einem "extremen Lebensraum" machen, führen zu überraschenden Anpassungen an die städtische Umwelt. Dieses Phänomen vollzieht sich im Vergleich zu naturnahen Umgebungen in einem beschleunigten Tempo, wobei sich die Arten in städtischen Ökosystemen weltweit immer ähnlicher werden. Dabei findet die Vermischung des Genmaterials stark über die menschliche Infrastruktur statt.[2]

Urbane Einflussfaktoren und Folgen

Die Reaktionen von Pflanzen auf die Urbanisierung sind komplex und vielfältig, wobei mehrere Faktoren zu Veränderungen in Gemeinschaften und Pflanzenmerkmalen beitragen. Urbanisierung wirkt sich in der Regel negativ auf Pflanzen aus, und die Auswirkungen können auf einzelne oder kombinierte städtische Faktoren zurückzuführen sein. Die Komplexität der Reaktionen macht eine systematische Klassifizierung schwierig.[3]

Der Prozess der städtischen Entwicklung wird von mehreren (negativen, positiven, neutralen) Schlüsselfaktoren beeinflusst, die zu unterschiedlichen Konsequenzen führen:

  • Veränderung der Landflächendeckung / Landnutzung:
    • Verringerung der Ausbreitungsfähigkeit zwischen Bereichen
    • geringerer Reproduktionserfolg
    • höherer Anteil nicht-einheimischer und störungs-toleranter Arten
    • Artenreichtum bleibt stabil
    • Anpassungen, um mehr Bestäuber anzulocken
  • Klimaveränderung
    • Asynchronität zwischen der jahreszeitlichen Entwicklung von Pflanzen und Bestäubern
    • Rückgang des Artenreichtums
    • geringere Wassernutzungseffizienz
    • Vermehrung einheimischer wärmeliebender Arten
    • städtische Gebiete als Zufluchtsort für gefährdete Arten mit Vorliebe für heiße und trockene Oberflächen
  • Boden- und Luftverschmutzung
    • Rückgang des Artenreichtums
    • höhere Stickstoffkonzentration in Blättern
    • geringerer Chlorophyll-Gehalt in Blättern
    • stärkere Verunkrautung
    • mehr Arten mit höherer Präferenz zu hohem Nährstoffgehalt des Bodens
  • Biologische Invasion
    • Rückgang des Artenreichtums durch die Ansiedlung nichtheimischer Arten, die den einheimischen Arten phylogenetisch (abstammungsgeschichtlich) ähnlich sind
    • Entwicklung nichtheimischer Arten als Konkurrenten einheimischer Arten
    • Bevorzugung nichtheimischer Arten durch Bestäuber
    • Erhaltung der Anpassungsfähigkeit einheimischer Arten vor der Invasion nichtheimischer Arten
    • Zunahme des gesamten Pflanzenartenreichtums
  • Menschliche Einwirkung
    • einfache Ausbreitung nicht heimischer Pflanzenarten durch Straßen und Zügen
    • Zunahme nicht heimischer Zierarten mit geringeren funktionellen Merkmalen
    • Begünstigung von durch den Menschen verbreiteten Pflanzen
    • größere Häufigkeit von Arten mit geringerem Erhaltungswert
    • Abnahme des Artenreichtums
    • die menschliche Vorliebe für auffällige Blumen kann für Bestäuber in städtischen Gebieten von Vorteil sein, wodurch von Tieren bestäubte Pflanzen begünstigt werden

Beispiele

Hier einige konkrete Beispiele aus der Pflanzen- und Tierwelt:


Der Birkenspanner, deren Färbung sich im 19. Jahrhundert als Reaktion auf die Kohleverschmutzung verdunkelte. In einer berühmten Arbeit von 1955 [4] legte der britische Genetiker Bernard Kettlewell Beweise dafür vor, dass es sich dabei um einen Fall von natürlicher Auslese handelte, bei dem die Dunkelheit den Motten half, dem Raub von Vögeln zu entgehen, wenn sie sich auf verrußten Baumstämmen ausruhten. [5]


Löwenzahn. Agrarwissenschaftlerin Arathi Seshadri von der Colorado State University im Jahr 2012 beobachtet, wie die beschirmten Löwenzahnsamen in der Stadt deutlich länger sind und schneller zu Boden sinken als ihre Gegenstücke in ländlichen Regionen. [6]


Weißklee produziert Blausäure sowohl als Abwehrmechanismus gegen Pflanzenfresser als auch zur Erhöhung seiner Toleranz gegenüber Wasserstress. GLUE (Global Urban Evolution Project) fand heraus, dass Klee, der in Städten wächst, aufgrund wiederholter Anpassungen an städtische Umgebungen in der Regel weniger davon produziert als Klee in benachbarten ländlichen Gebieten. [7]


Pfaffenhütchen-Gespinstmotten. Die ursprünglich vom Land stammenden Falter fliegen normalerweise zur Sonne hin in die Helligkeit. Die Exemplare aus der Stadt ignorieren jedoch die städtischen Lampen und halten sich an anderen Stellen des urbanen Raums auf. Nach Schlussfolgerungen hatten die städtischen Tiere eine gewisse Resistenz gegenüber künstlichem Licht erworben. [8]

Culex pipiens molestus (Stechmücke): Im Londoner U-Bahnsystem hat sich eine neue Stechmückenart herausgebildet. Sogar die Mücken unterschiedlicher Linien entwickeln sich unabhängig voneinander. Sie halten keinen Winterschlaf und ernähren sich von Menschen- anstatt von Taubenblut.

Halsbandsittiche: exotische (Indien und Afrika) Käftigvögel, die aus ihren Käfigen entkommen sind und mit dem Kälteren Klima gut zurecht kommen, weil sie teilweise in den niedrigen Regionen des Himalayas vorkommen

»mummichogs« – kleine Brackwasserfische der Spezies Fundulus heteroclitus: Andrew Whitehead von der University of California in Davis und seine Kollegen haben feststellt, dass einige Populationen der Fundulus heteroclitus, die vor der US-Ostküste leben – eine phänomenale Toleranz gegenüber toxischen Chlorverbindungen namens polychlorierte Biphenyle (PCB) ausgebildet haben. Die Tiere vertragen PCB-Konzentrationen, die 8000-mal höher sind als jene, die für Individuen dieser Art normalerweise tödlich wirken.

Schnirkelschnecke: Normalerweise sind die Häuser der Schnirkelschnecken rötlich bis dunkelbraun. Die Häuser der Schnirkelschnecken in meinem Garten sind fahlgelb mit ein paar dunklen Streifen darauf. Noch vor zwanzig Jahren war das sehr ungewöhnlich. Er vermutet, dass die Schnirkelschnecke in der Stadt eine hellere Behausung trägt als in ländlichen Regionen, weil es in Städten heißer ist.

Erhaltung und künftige Auswirkungen

Die Beobachtung, wie Arten auf den städtischen Lebensraum reagieren, liefert Erkenntnisse für das Naturschutzmanagement, Schädlingsbekämpfung und Stadtplanung für ökologisch robustere Ökosysteme. Städte spielen eine entscheidende Rolle für das Verständnis von Reaktionen auf den globalen Klimawandel und bieten einen Einblick in die zukünftigen klimatischen Bedingungen. [9]


________________________________________________________________________________________

[1] + [3] https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2351989422002451

[2] https://www.spektrum.de/news/urbanitaet-bei-arten-in-der-der-stadt-verlaeuft-die-evolution-schneller/1686856

[4] https://www.nature.com/articles/hdy195536

[5] https://knowablemagazine.org/content/article/living-world/2022/urban-evolution-species-adapt-survive-cities

[6] https://www.spektrum.de/news/urbanitaet-bei-arten-in-der-der-stadt-verlaeuft-die-evolution-schneller/1686856

[7] https://www.utoronto.ca/news/urbanization-driving-evolution-plants-around-world-u-t-study-finds

[8] + [9] https://www.spektrum.de/news/urbanitaet-bei-arten-in-der-der-stadt-verlaeuft-die-evolution-schneller/1686856